Traditionelles Silvesterwürfeln in Herborn
Das Silvesterwürfeln erlebt augenblicklich ein Revival. Noch vor wenigen Jahren fast dem Vergessen anheimgefallen, ist es inzwischen aus dem Stadtgeschehen nicht mehr wegzudenken. Ein altes Brauchtum wird wieder mit Leben erfüllt. Verblüffend daran ist, dass am letzten Tag im Jahr ganze Familienverbände mit Großeltern, Eltern, Kindern und Enkelkindern durch Herborn pilgern. Nie nur an einem Ort bleiben! Man zieht traditionell von der Gaststätte zur Metzgerei, vom Vereinslokal zum Café, von der Kneipe zum Bistro – und probiert überall sein Glück.
Die Tische sind allerorts dicht umlagert. Jeder freie Platz wird sofort wieder besetzt und Zuschauen gehört auch dazu. Gespielt wird um kleine Silvestertorten, Fleischwurst, Pfefferbeißer, Marzipanfiguren, Pressköpfe etc. etc. Meist übernimmt jemand die Spielleitung und kassiert den Einsatz. Je mehr Spieler, desto kleiner der Einsatz und desto größer das Risiko. Jeder versucht an diesem Nachmittag möglichst viele Gewinne mit nach Hause zu nehmen. Wem das Glück hold ist, der geht besser nicht ohne Tragetaschen zum Würfeln! Wobei manch Kringel Fleischwurst oft das Abendgeläut nicht mehr erlebt...
Begonnen wird teilweise bereits um 13:00, andernorts erst um 15:00, bei einer Veranstaltungsdauer von 3 bis 4 Stunden.
Viel Spaß, viel Glück – und einen guten Rutsch wünscht Ihr Herborner Werbering!
Rückblick.
Sucht man im Netz nach der Herkunft des Silvesterwürfelns, so tauchen immer wieder zwei nicht belegbare Thesen auf. In der einen haben es die Franzosen unter Napoleon I. mit nach Deutschland gebracht. Kurt Goetz hätte anläßlich seiner Verfilmung „Napoleon ist an allem schuld“ sicherlich seine Freude daran gehabt. Satire trifft Satire. Die andere These besagt, das Würfelspiel wäre durch den Dreißigjährigen Krieg nach hier gekommen.
Und was sagt der gemeine Herwesche? Der verweist bauernschlau auf Varus, der nach unbestätigten Gerüchten auf dem Weg zum Teutoburger Wald hier an der Dill sein Hauptauflager aufgeschlagen haben soll. Dem Volksmund nach soll auch der Herborner Aussichtsturm an der gleichen Stelle stehen, wie einst der große römische Wachturm Amon Sûl. Der Sage nach, soll das Würfeln der römischen Legionäre den germanischen Spähern aufgefallen ein und hätte so den Weg in unsere Gegend gefunden. Geschichte gibt’s, die gibt’s nicht.
Zu Bild 1: Das von dem Wirt (als Pächter) Anthony genannte Theissche Gartenlokal war die bekannte Kegelbahn in der späteren Kaiserstr. (damals noch Bahnhofstr.).
Bild 2 Dokumentiert, dass die Metzgerei Lehr (damals bereits am bekannten Platz) 1883 Sylvesterwürfeln schon seit einiger Zeit anbot. Eine entsprechende Anzeige im Zeitungsjahrgang 1892 gibt es auch.
Bild 3 gibt die Quelle der Bilder an: das Kreisblatt für den Dillkreis, Nachfolger desselben war das Herborner Wochenblatts aus dem wiederum das Herborner Tageblatt entstand.
Bild 4. - ein Bild zum Silvesterwürfeln in Herborn von D. Hourticolon. Quelle: Karl Löber; Beharrung und Bewegung im Volksleben des Dillkreises / Hessen. Marburg 1965
Herzlichen Dank an unseren Herborner Stadtarchivar a. D. Rüdiger Störkel für die Bilder sowie die erklärenden Informationen. An der Geschichte um die Varusschlacht allerdings ist er unschuldig. Diese entsprang alleine meiner Phantasie.
RS